Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)Ausdruck vom 20.04.2024 10:58 Uhr

Ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Komplexbehandlung

Für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen hat der G-BA ein neues Versorgungsprogramm auf den Weg gebracht.

Ziel ist eine berufsgruppen- und sektorenübergreifende Versorgung, die eine aufeinander abgestimmte und vernetzte wohnortnahe Betreuung gewährleisten soll.

Faktoren der Komplexversorgung

Der Netzverbund im Sinne der KSVPsych-Richtlinie, ist ein vertraglicher Zusammenschluss von Ärzten und Psychotherapeuten, die die psychiatrische Komplexversorgung auf regionaler Ebene organisieren.

Folgende Fachgruppen kommen in Frage:

  1. Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärzte für Nervenheilkunde oder Neurologie und Psychiatrie
  2. Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten
  3. Fachärzte für Neurologie

Ein Netzverbund besteht aus mindestens zehn Mitgliedern. Davon jeweils mindestens vier Personen aus den Fachgruppen 1 sowie mindestens 4 Personen aus der Fachgruppe 2.

Jeder Netzverbund schließt zudem Kooperationsverträge mit folgenden Leistungserbringern:

  1. Einem nach § 108 SGB zugelassenen Krankenhaus mit psychiatrischen oder psychosomatischen Einrichtungen für Erwachsene und zusätzlich einem Leistungserbringer für Ergotherapie (Zulassung nach § 124 SGB V) oder einem
  2. Leistungserbringer für Soziotherapie (gem. § 132 b SGB V) oder einem
  3. Leistungserbringer der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege (gem. § 132 a Abs. 4 SGB V)

Wenn der Netzverbund Patienten mit psychischen Erkrankungen durch psychotrope Substanzen behandelt, so muss eines der kooperierenden Krankenhäuser über eine entsprechende Abteilung zur Entzugsbehandlung Abhängigkeitskranker Erwachsener verfügen.

Neben den oben genannten Kooperationspartnern soll der Netzverbund weitere Kooperationen, die für die Behandlung der Patienten notwendig und sinnvoll sind, eingehen. Hierunter fallen beispielsweise Sozialpsychiatrische Dienste, Leistungserbringer der Eingliederungshilfe, Psychosoziale Beratungsstellen, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.

Zentraler Ansprechpartner für die Patienten ist der Bezugsarzt oder Bezugstherapeut im Netzverbund. Die Bezugsperson ist verantwortlich für die Erstellung, Überprüfung und Fortschreibung des Gesamtbehandlungsplans, in Abstimmung mit dem Patienten und in Zusammenarbeit mit der nichtärztlichen koordinierenden Fachkraft.

Die folgenden Fachgruppen können die Funktion ausüben:

  • Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • Facharzt für Nervenheilkunde oder Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
  • Ärztlicher oder Psychologischer Psychotherapeut

Bitte beachten: Der Bezugsarzt bzw. Bezugstherapeut muss über einen vollen Versorgungsumfang verfügen.

Der Bezugsarzt bzw. Bezugstherapeut delegiert bestimmte Aufgaben an eine nichtärztliche koordinierende Fachkraft. Hierzu gehören z. B. folgende Aufgaben:

  • Vernetzung der an der Versorgung beteiligten Leistungserbringer
  • Umsetzung des Gesamtbehandlungsplans
  • Vereinbarung von Terminen für die Patienten auf Basis des Gesamtbehandlungsplans
  • Aufsuchen des Patienten im häuslichen Umfeld (sofern erforderlich)
  • Führen von Gesprächen mit Angehörigen und Bezugspersonen (sofern erforderlich)
  • Persönlicher und telefonischer Kontakt mit dem Patienten
  • Kontaktaufnahme und Austausch mit anderen Leistungserbringern

Die Aufgaben der nichtärztlichen koordinierenden Person kann von folgenden Berufsgruppen durchgeführt werden:

  • Soziotherapeuten (§ 132 b SGB V)
  • Ergotherapeuten (§ 124 SGB V)
  • Leistungserbringer der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege (§ 132a SGB V)

Oder einer der folgenden Berufsgruppen, sofern eine fachspezifische Zusatzqualifikation oder eine mind. zweijährige Berufserfahrung in der Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen vorliegt:

  • Medizinische Fachangestellte
  • Sozialarbeiter
  • Sozialpädagogen
  • Pflegefachpersonen
  • Psychologen

Die KSVPsych-Richtlinie richtet sich an Erwachsene mit einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung.

Folgende Kriterien müssen erfüllt sein:

  • Die Person hat das 18. Lebensjahr vollendet
  • Es liegt eine psychische Erkrankung F10-F99 nach Kapitel V der ICD-10-GM vor
  • Der GAF-Wert beträgt höchstens < 50
  • Es handelt sich um einen komplexen Behandlungsbedarf: zur Erreichung des Behandlungsziels (Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerung) ist pro Quartal der Einsatz von mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung durch unterschiedliche Disziplinen nötig.

Ablauf der Komplexversorgung

Für die Versorgung in der KSVPsych-Richtlinie ist eine Überweisung oder Empfehlung notwendig. Diese kann durch Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten, sozialpsychiatrische Dienste, ermächtigte Einrichtungen, Krankenhäuser oder Reha-Einrichtungen erfolgen.

Nach der Überweisung erfolgt die Eingangssprechstunde durch ein Mitglied des Netzverbundes. Diese soll in der Regel innerhalb von sieben Werktagen erfolgen. Liegen die Voraussetzungen der KSVPsych-Richtlinie vor, so erfolgt im nächsten Schritt nach weiteren sieben Werktagen die Differenzialdiagnostische Abklärung.

Die Differenzialdiagnostische Abklärung, welche ebenfalls durch ein Mitglied des Netzverbundes durchgeführt wird, ist eine psychische, somatische und soziale, soweit erforderlich interdisziplinär abzustimmende ärztliche Diagnostik und Indikationsstellung. Auf deren Grundlage wird zumindest ein vorläufiger Gesamtbehandlungsplan erstellt.

Die Erstellung des Gesamtbehandlungsplans erfolgt in Abstimmung mit dem Patienten durch den Bezugsarzt oder Bezugstherapeuten. Inhalte des Behandlungsplans sind z. B. die Therapieziele, sowie insbesondere Angaben zum Bedarf an ärztlichen, pharmakologischen und psychotherapeutischen Maßnahmen sowie den Bedarf an Heilmitteln, Soziotherapie und psychiatrischer häuslicher Krankenpflege. Ein Kriseninterventionsplan ist ebenfalls Teil des Gesamtbehandlungsplans.

Bitte beachten: Der Beginn der Versorgung in einem Netzverbund muss durch den Bezugsarzt oder -therapeuten der Krankenkasse des Patienten mitgeteilt werden.

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