Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)Ausdruck vom 26.04.2024 20:12 Uhr

Presseinformation

KVB-Vertreterversammlung zeigt Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen auf

München, 27. November 2023: Der Strukturwandel im Gesundheitswesen durch die Digitalisierung und die Zusammenarbeit von Hausärzten, Fachärzten und Psychotherapeuten standen im Fokus der Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), die am Samstag in München stattfand. Die Diskussion zeigte, wie angespannt die Situation in den Praxen derzeit ist und wie unzufrieden die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit der momentanen Gesundheitspolitik auf Bundesebene sind. Die Vorsitzende der VV, Dr. Petra Reis-Berkowicz, berichtete in ihrem Eingangsstatement über Lieferengpässe bei Medikamenten, zu wenige verfügbare Termine in den Praxen und fehlendes Fachpersonal. Dringend notwendige Reformen würden von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach nicht angegangen. Es gehe "ein wirrer Umbau" im Gesundheitswesen vonstatten, der einer guten Patientenversorgung nicht zuträglich sei. In mehreren, größtenteils einstimmig verabschiedeten Anträgen positionierte sich die VV eindeutig gegen den Trend zur Staats- und Kassenmedizin und für die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Um dies zu erreichen, so das Fazit der VV, ist ein enger Schulterschluss zwischen den einzelnen Arzt- und Psychotherapeutengruppen notwendig.

In ihren Berichten gingen der KVB-Vorstandsvorsitzende Dr. Christian Pfeiffer, der auch seinen kurzfristig erkrankten Vize Dr. Peter Heinz vertrat, und die zweite stellvertretende Vorstandsvorsitzende Dr. Claudia Ritter-Rupp detailliert auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen und mögliche Lösungsansätze ein. So habe ein Urteil zur Sozialversicherungspflicht für Poolärzte im zahnärztlichen Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg kürzlich bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nachdem die Gegebenheiten in Bayern nicht vergleichbar sind mit der im Urteil dargestellten Sachlage, wird der Bereitschaftsdienst in Bayern erst einmal wie bisher weiterlaufen. Die KVB hat darüber hinaus umfassende Reformvorschläge für die Behandlung von Notfällen vorgelegt, die auch vom bayerischen Gesundheitsministerium unterstützt werden. Aus Sicht des Vorstands der KVB setzt man dabei große Erwartungen in die Zusammenarbeit mit der neuen Gesundheitsministerin Judith Gerlach, die in der VV per Videobotschaft zu Beginn präsent war. Bayern könne im Bereitschafts- und Rettungsdienst ein Vorreiter für das gesamte Bundesgebiet werden, wenn die vorliegenden Vorschläge entsprechend umgesetzt würden.

Die schwierige wirtschaftliche Lage in den Praxen manifestiert sich derweil auch in Bayern in einer weiteren Zunahme an unterversorgten und drohend unterversorgten Regionen. So herrscht aktuell in sechs hausärztlichen Planungsbereichen und in fünf fachärztlichen Planungsbereichen eine dokumentierte Unterversorgung. Wenn dort selbst die Förderprogramme der KVB nicht greifen, dann muss diese per Gesetz Eigeneinrichtungen aufbauen. Nach der ersten Eigeneinrichtung für Dermatologie in Marktredwitz laufen jetzt die Vorbereitungen für eine hausärztliche Praxis der KVB in Ering am Inn. Ziel ist es dabei, dass die jeweiligen Praxen möglichst bald von den dort angestellten Ärztinnen und Ärzten in Eigenregie übernommen werden. Der Vorstand sieht diese Eigeneinrichtungen als letztes Mittel, um eine akute Unterversorgung abmildern zu können.

Um langfristig die flächendeckende Patientenversorgung sicherstellen zu können, ist allerdings die Bundespolitik gefordert. Um hier mehr Handlungsdruck zu erzeugen, appellierte der Vorstand an alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten wie auch deren Patienten, eine entsprechende Petition an den Deutschen Bundestag zum Erhalt der ambulanten Versorgung zu unterzeichnen. Online zu finden ist diese hier: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2023/_10/_15/Petition_158622.nc.html .

Woran die derzeitige Gesundheitspolitik krankt, wird an zwei Gesetzesvorhaben deutlich, die der Vorstand ausführlich darstellte: dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Zwar sei die eigentliche Zielsetzung einer besseren Nutzung von Gesundheitsdaten positiv zu bewerten, doch seien die Interessen der Patienten sowie deren behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten nicht ausreichend berücksichtigt. Es drohe gar der "gläserne Patient", wenn die Gesetze so wie derzeit vorgesehen umgesetzt würden. "Der Mensch sollte im Mittelpunkt der Versorgung stehen und nicht zum Objekt der Datenverarbeitung gemacht werden", so der Vorstand der KVB. Der nächste Schritt, für den man gewappnet sein müsse, ist die Anwendung der Künstlichen Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen. Hier seien von Anfang an Leitplanken und Regularien notwendig, um zu verhindern, dass KI-Systeme und deren Entscheidungsparameter intransparent werden. Zudem müsse sich der Einsatz von KI im Gesundheitswesen an Werten und Grundrechten wie Menschenwürde und Schutz der Privatsphäre orientieren.