Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)Ausdruck vom 24.09.2025 15:04 Uhr
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Presseinformation Ambulante Versorgung unter Druck: Private-Equity-Gesellschaften rasant auf dem Vormarsch

München, 22. September 2025: Was viele Expertinnen und Experten im Gesundheitswesen lange befürchtet haben, ist nun belegbar bittere Wahrheit. So zeigen aktuelle Analysen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB): Hunderte Arztpraxen wurden allein in den vergangenen Jahren in Bayern von Private-Equity-Gesellschaften aufgekauft und in größere Ketten überführt. Ihr Ziel: Gewinnmaximierung und aggressive Erwirtschaftung von Renditen von 15 bis 20 Prozent innerhalb weniger Jahre. Die ambulante Gesundheitsversorgung und das Wohl der Patientinnen und Patienten wird so zum Spielball von internationalen Private-Equity-Gesellschaften – und gerät zu Gunsten von aggressiven Buy- and Sell-Strategien ins Hintertreffen.

Diese nie da gewesene Entwicklung alarmiert die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die Bayerische Landesärztekammer, den Bayerischen Hausärztinnen- und Hausärzteverband, den Dachverband Bayerischer Fachärztinnen und Fachärzte, den Sozialverband VdK Bayern sowie den Verband medizinischer Fachberufe.

Dabei fällt auf: Insbesondere Fachgruppen mit hohem Geräte- und Technikeinsatz, bei denen sich potenziell die größten Profite erwirtschaften lassen, sind für Private-Equity-Investoren interessant. Besonders beunruhigend ist die Entwicklung in der Radiologie, wo seit dem Jahr 2021 rund 90 Prozent aller Akquisitionen von Praxen auf Investorengruppen entfallen. Auch die Augenheilkunde verzeichnet eine bei-spiellose Konsolidierung: Inzwischen gehören bundesweit über 500 augenärztliche Praxen zu internationalen Private-Equity-Ketten. Das sind dreimal so viele wie noch vor drei Jahren. In einigen Regionen Bayerns dominieren bereits von Private-Equity-Investoren kontrollierte MVZ und Praxen die Versorgung – in einzelnen Städten wurden sogar monopolartige Strukturen festgestellt.

Bei den fachübergreifenden MVZ steckt in Bayern hinter jedem fünften MVZ mittlerweile eine Private Equity Gesellschaft. Vor 5 Jahren waren es lediglich 9 Prozent. Der Anteil hat sich damit mehr als verdoppelt!

Neben der fachärztlichen Versorgung haben Private-Equity-Investoren aber auch die hausärztliche Versorgung für sich entdeckt – mit gravierenden Folgen für die Patientinnen und Patienten: So werden beispielsweise zeitintensive Hausbesuche oder präventive Gesundheitsuntersuchungen in Hausarzt-MVZ, die von Private-Equity-Investoren betrieben werden, seltener durchgeführt als in traditionellen Hausarztpraxen (die vor Ort oft persönlich durch niedergelassene Ärzte geführt werden). Ähnliches gilt für die kontinuierliche Betreuung chronisch kranker Patienten, die unter betriebswirtschaftlichem Druck leicht ins Hintertreffen gerät.

Zudem müssen Patientinnen und Patienten, die in einem von Private-Equity-Investoren betriebenen Hausarzt-MVZ behandelt werden, auffallend häufig zusätzlich weitere Hausärzte aufsuchen, um alle benötigten Leistungen zu erhalten – ein deutliches Warnsignal für Lücken in der Versorgungskontinuität.

Eine weitere bittere Erkenntnis: PEG-MVZ und -Praxisketten konzentrieren sich überproportional auf urbane Ballungsräume und wirtschaftlich attraktive Gegenden. So befinden sich fast die Hälfte aller MVZ in Deutschland in Großstädten (Kernstädten), weitere rund 39 Prozent in mittleren Zentren. In ländlichen Regionen, wo die Großzahl an Versorgungsengpässen auftritt, befinden sich hingegen lediglich 15 Prozent der PEG-MVZ und -Praxisketten.

Der ärztliche Nachwuchs kann mit den Kaufpreisen für Abgeberpraxen von PEG-Ketten nicht mithalten und wird in manchen Fachrichtungen zunehmend zur Anstellung in solchen Einrichtungen gezwungen. Den Patientinnen und Patienten entschwindet somit zunehmend die Wahl zwischen arztgeleiteten Praxen und MVZ und verstärkt auf Gewinnmaximierung basierenden Versorgungsangeboten.

Auch Berichte von Ärztinnen und Ärzten, die in PEG-MVZ gearbeitet haben, sind regelrecht erschütternd. Sie konnten sehen, wie gesunde Patientinnen und Patienten auf dem Operationstisch landeten, Prämien für gewünschte Indikationen bezahlt und wie ganze Patientenkreise, insbesondere chronisch Kranke, aufgrund ausschließlich ökonomischer Logiken "aussortiert" wurden und wie Hausbesuche in einem solchen Umfeld kaum noch stattfinden. Mehr dazu finden Sie unter: KVB-FORUM-Berichte von PEG-Ärzten

Die Politik muss nun endlich Worten Taten folgen lassen: Es braucht klare Reglementierungen für PEG-MVZ, die über das im Koalitionsvertrag Angedachte hinausgehen müssen, um eine am Patienten ausgerichtete ambulante Versorgung auch künftig zu garantieren.

Wir fordern daher:

Stärkung der ärztlichen Unabhängigkeit:

  • Schutz der Therapiefreiheit vor sachfremden Einflüssen

Transparenz und Kennzeichnungspflicht:

  • Gewährleistung der freien Arztwahl

Verhinderung von Monopolstellungen:

  • Erhalt einer pluralen Versorgungslandschaft

Stärkung der selbstständigen Freiberuflichkeit:

  • Vorfahrt für die Niederlassung

Stärkung der Kassenärztlichen Vereinigungen:

  • Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten bezogen auf Eigeneinrichtungen

Rechtliche Gleichstellung:

  • Anwendbarkeit der Disziplinarordnung der KV für MVZ-Rechtsträger

"Eignungsprüfung" durch die Zulassungsgremien:

  • Prüfmaßstab ist, ob das MVZ fähig ist, eine ordnungsgemäße Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten

Verbot von Private-Equity-Übernahmen:

  • Unterbindung des fremdkapital-getriebenen Aufkaufs von Praxen

MVZ in Händen von Vertragsärztinnen und -ärzten:

  • Die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte stehen Ärzten zu